Am 6. April erinnern wir jedes Jahr an Halit Yozgat
Halit Yozgat wurde 1985 in Kassel geboren und betrieb ein Internetcafé in der Holländischen Straße 82. An diesem Ort, der auch ein Treffpunkt für Jugendliche aus der Nordstadt war, wurde Halit am 6. April 2006 erschossen. Halit wurde nur 21 Jahre alt. Er war das neunte Mordopfer des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU), das aus rassistischen Gründen ausgewählt und gezielt ermordet wurde. Mit der selben Waffe wurden Enver Şimşek (2000 in Nürnberg), Abdurrahim Özüdoğru (2001 in Nürnberg), Süleymann Taşköprü (2001 in Hamburg), Habil Kılıç (2001 in München), Mehmet Turgut (2004 in Rostock), İsmail Yaşar (2005 in Nürnberg), Theodoros Boulgarides (2005 in München), und Mehmet Kubaşık (2006 in Dortmund) ermordet. Auch die Polizistin Michèle Kiesewetter starb (2007 in Heilbronn) durch den NSU.
Einen Monat nach dem Mord an Halit organisierte seine Familie mit Angehörigen von Enver Şimşek und Mehmet Kubaşık Demonstrationen in Kassel und Dortmund unter dem Slogan „Kein 10. Opfer“, weil sie die rassistischen Angriffe auf ihre Communities als eben solche erkannten, während sich die Ermittlungsbehörden auf die Angehörigen der Opfer als vermeintliche Täter:innen konzentrierten und Verfassungsschutzmitarbeiter schützten. Bis heute sind Fragen offen, ist die Verstrickung staatlicher Institutionen auch in den Mord an Halit nicht öffentlich aufgeklärt worden. Und so geht der Kampf von Angehörigen und Aktivist:innen um die konsequente Auflösung des NSU-Komplexes weiter.
Eine zentrale Forderung der Familie in diesem Kampf ist seit langem die Umbenennung der Holländischen Straße in Halitstraße. Dieser Forderung wurde auch sechzehn Jahre nach der Tat noch nicht entsprochen. İsmail Yozgat, der Vater von Halit, begründete diese Forderung in einer Rede zum Gedenken an Halit 2016 auch unter Bezugnahme auf die deutsche Geschichte:
„Hitler hat wegen seinem Hass auf Juden unter dem Deckmantel einer reinen deutschen Rasse Millionen von Menschen töten lassen. Dieses wurde in der Geschichte von Deutschland zu einem schwarzen Schandfleck. Es wurde viel im Laufe der Zeit als Wiedergutmachung und für die Befreiung von diesem Schandfleck getan. Im Grundgesetz heißt es sogar, dass niemand wegen seinem Geschlecht, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Fakt ist allerdings, dass die Mordserie seit dem Jahr 2000 genau gegensätzliches aufzeigt. Seit 2000 wurden Menschen getötet, weil Sie Ausländer sind, unter Ihnen auch mein Sohn Halit, der während er seine Hausaufgaben machte, erbarmungslos durch Ausländerfeinde erschossen wurde. Das Getane war und ist unzureichend. Der Ausländerhass hat überlebt und wütet weiterhin unter uns. Ich habe viel nachgedacht, wie ich die kommende Generation vor braunem Gedankengut und den Folgen daraus schützen kann. Es müsste etwas sein, was diese grausamen Morde niemals vergessen lässt und immer gegenwärtig bleibt, um immer ein wachsames Auge zu haben. Deshalb haben wir eine Lebensaufgabe für uns definiert – die Umbenennung der Holländischen Straße in Halitstraße.“
Die Forderung der Familie bleibt bis heute aktuell und ist Teil des Kampfes um eine antifaschistische Gesellschaft, in der Halit noch am Leben wäre.
Erinnern. Widerstand. Konsequenzen. Solidarisch gegen rechte Gewalt in Kassel und überall!